Auf Schafsspuren

Sie sind hier: Start >> Wanderungen >>Auf Schafsspuren | Status:abgemeldet

Auf Schafsspuren

Es ist noch gar nicht so lange her, als die Menschen nicht nur ihr Essen, sondern auch ihre Kleidung aus den Materialien gewannen, die ihnen die Landwirtschaft in ihren Dörfern bot. Bevor die aus tropischen und subtropischen Gebieten stammende Baumwolle in großem Umfang zu Stoffen verarbeitet werden konnte, mussten erst entsprechende Maschinen konstruiert werden. Und industriell hergestellte Chemiefasern begannen erst Eure Großeltern zu tragen.

Zuvor gewannen die Bewohner des Osterzgebirges die Fasern für grobe Stoffe aus Flachs (Faser-Lein) und Hanf. Um aber richtig warme Sachen stricken, filzen oder weben zu können, braucht man ein Material, dass aus ganz, ganz vielen, extrem feinen Fasern besteht. Zum Beispiel Schafwolle.

Einstmals hüteten viele Schäfer die großen Herden ihrer Gutsbesitzer im unteren Osterzgebirge. Vor fast 250 Jahren hatte der sächsische Kurfürst vom spanischen König ein paar Merino-Schafe geschenkt bekommen. Diese waren für ihre besonders feine Wolle berühmt. Durch Kreuzung mit einheimischen Rassen gelang den Schafszüchtern der sächsischen Rittergüter bald der Aufbau einer eigenen Zucht, die ebenfalls weltweite Bekanntheit erlangte. Über tausend Schafe zählten die Reichstädter Herden, noch einmal so viele grasten im benachbarten Berreuth - wie auch an vielen anderen Orten der Gegend. Schafe prägten unsere Landschaft mit. Bis vor etwa 130 Jahren.

Die sächsischen Schafe waren nämlich so gut, dass die Zuchtböcke bis nach Australien, Neuseeland und Argentinien verkauft wurden. Doch auf den großen Grasländern auf der anderen Seite der Erdkugel konnten sie viel preiswerter gehalten werden. Schon bald kam soviel billige Schafwolle aus Übersee nach Europa, daß die sächsischen Schafherden nicht mehr mithalten konnten. Innerhalb weniger Jahre schafften nahezu alle Rittergüter ihre Herden ab - auch die in Reichstädt und Berreuth.

Heute aber gibt es hier wieder die netten und kuscheligen Haustiere. In Reichstädt befindet sich die Spinnstube der Schäferei Drutschmann, in Berreuth deren Winterstall. Wenn wir die folgende Wanderung zwischen November und Mai unternehmen, können wir sie besuchen. Im Sommer allerdings knabbern die Drutsch-Schafe rund um den Geisingberg auf den Bergwiesen. Auf jeden Fall ist zu empfehlen, vorher anzurufen: 03504-613973.

Viele Schafsspuren finden sich heute noch rund um Reichstädt. Doch sie alle zu erwandern braucht viel Zeit und Ausdauer. Diese Tour ist deshalb in zwei jeweils 6 bis 7 Kilometer lange Varianten aufgeteilt, die ganz wanderfreudige Entdecker aber gern zu einem 11 km langen Ganztags-Ausflug kombinieren können.

Variante 1 ...

... beginnt am Busbahnhof Dippoldiswalde, wohin man auch am Wochenende regelmäßig von Dresden oder Altenberg mit dem Linienbus fahren kann.

Gegenüber des Busbahnhofes führt der Pfortenbergweg am Rande des alten Stadtzentrums hinab zur Bahnhofsstraße. Rechts befindet sich das alte Stadtschloss (heute unter anderem mit einer Gemäldegalerie, die Landschaftsbilder aus dem Osterzgebirge zeigt), außerdem die alte Stadtkirche. Schon vor 800 Jahren befand sich hier ein großes Gotteshaus - Dippoldiswalde gehörte deshalb wahrscheinlich schon zu den ersten Siedlungen des Osterzgebirges.

Die Bahnhofstraße führt zum etwa 300 m entfernten Dippoldiswalder Bahnhof. Seit dem Hochwasser 2002 schnauft hier nur noch selten eine Dampflok entlang - und wenn, dann lediglich auf einer Sonderfahrt auf dem noch erhaltenen Streckenabschnitt an der Talsperre Malter vorüber. Vor jeder Wahl wird der baldige Wiederaufbau versprochen, doch noch ist nicht viel geschehen. Dennoch lohnt es sich natürlich, bei einem dieser Aktionswochenenden einmal wieder mit einem historischen Zug einen kleinen Ausflug zu unternehmen. "Fahrplan" und Preise unter www.weisseritztalbahn.de.

Nach dem Bahnhof geht es noch 300 m weiter entlang der Straße nach Reichstädt, bis kurz hinter der Kurve links ein Wanderwegweiser bergauf zeigt. Dieser Wanderweg ist eigentlich durch eine gelbe Markierung gekennzeichnet, doch ist diese an den meisten Stellen kaum noch zu erkennen.

Früher war dieser Weg die Hauptverbindung zwischen der Amtshauptmannstadt Dippoldiswalde und dem Rittergutsdorf Reichstädt. Viele Pferdewagen haben in die Landschaft einen Hohlweg gegraben, der heute beiderseits auch noch von hohen Sträuchern gesäumt wird und deshalb im Sommer fast wie ein grüner Tunnel wirkt. Wo man aus diesem "Tunnel" wieder auftaucht, begleiten nun schon 15-jährige Bäume den Weg. Gepflanzt wurden sie vom Verein Grüne Liga Osterzgebirge. Nach einer fast rechtwinkligen Rechtskurve kommen wir an ein paar unauffälligen Mauerresten vorbei. Hier stand einst ein großer Kalkofen. Aus Rehefeld oder Nenntmannsdorf wurde früher in fast alle Dörfer der Gegend Kalkstein transportiert, um dann dort "gebrannt", also durch starke Erhitzung zu Baumaterial oder Dünger umgewandelt zu werden. Diesen Kalkdünger benötigte man vor allem für die damals hier zahlreichen, herrlich blau blühenden Leinfelder. Aus dem Lein gewannen unsere Urgroßeltern Flachs für grobe Stoffe.

Weiter geht der Weg hinab ins Tal des Reichstädter Baches durch einen Eichen-Hangwald. An den häufig knollig verdickten Stammfüßen der Eichen kann man noch heute gut erkennen, dass früher hier die Bauern ihr Brennholz gewonnen haben. Immer nach zehn bis zwanzig Jahren wurden die Bäume abgehackt, um dann aus dem "Stock", also dem Baumstumpf neue Triebe zu schieben. Niederwald nennen das die Förster. Und die Stammfüße werden dabei immer dicker, was man auch noch dann erkennt, wenn die Niederwaldwirtschaft schon lange vorüber ist.

Inzwischen kommen die ersten Häuser von Reichstädt, und nach insgesamt 2,5 km (ab Busbahnhof Dippoldiswalde) erreichen wir die Schäferei Drutschmann. Eine Spinnstube gibt es hier mit vielen interessanten Angeboten zum Spinnen, Filzen, Färben, Basteln. Vor allem bei Projekttagen mit der Klasse kannst du hier tolle Sachen lernen. Gib doch mal deinen Lehrern den Tip!

Daneben kann man noch in einem kleinen Hofladen Kuschelschafe, warme Socken  und leckeren Schafskäse kaufen. (www.schaeferei-drutschmann.de)

Aber wo sind denn nun die Schafe? Vor einigen Jahren bekamen sie hier das schöne Fachwerkhaus gebaut, jetzt ist darin die Spinnstube untergebracht. Inzwischen haben Drutschmanns so viele Schafe, dass die nicht mehr alle hier rein passen. Im Winter wohnen die jetzt in einem großen Stall im Nachbardorf Berreuth - im Sommer ziehen sie über die Weiden. Vielleicht grasen gerade welche in der Umgebung von Reichstädt, am besten vorher anrufen und nachfragen. Manchmal führen auch Herr Drutschmann, der Schäfer, oder seine Tochter Manja, auch sie ist mit Leib und Seele Schäferin, Kindergruppen zu ihren Schafherden. Oder sie zeigen dir die niedlichen kleinen Lämmchen, die zwischen Januar und April im Berreuther Stall geboren werden.

Dorthin wandern wir jetzt. Dazu geht es zuerst ein Stück zurück, bis zur Brücke über den Dorfbach. Dann müssen wir allerdings nach rechts auf die Hauptstraße einbiegen und dieser einen Kilometer weit folgen. Vorsicht! Hier herrscht manchmal ziemlich viel Verkehr, und so mancher Autofahrer fährt hier auch sehr schnell.

Dann gehen wir aber geradeaus weiter in das kleine Dörfchen Berreuth. Bis vor 50 Jahren stand hier noch ein recht prächtiges Rittergut-Schlösschen, das dann allerdings abbrannte und nicht wieder aufgebaut wurde. Der Schlossteich und ein hübscher Park sind heute noch vorhanden. Zum Rittergut gehörte bis etwa 1870 auch eine große Schäferei.

Zum Stall zweigt der Weg vom anderen Ortsausgang nach links ab, vorbei an einer prächtigen alten Eiche (Naturdenkmal), hinauf zu den großen Landwirtschaftsgebäuden. Um die Schafe aber auch wirklich besuchen zu können, muss man sich vorher schon bei Drutschmanns telefonisch anmelden.

Von Berreuth aus kann man auch schön durch den Tännichtgrund zur Talsperre Malter weiterwandern, die im Sommer zum Baden lockt. Im Tännichtgrund steht auch eine der größten und mächtigsten Fichten des Osterzgebirges.

Doch wir kehren jetzt zurück nach Dippoldiswalde. An ein paar Picknickplätzen vorbei steigt ein Fußpfad hoch zur Straße nach Dippoldiswalde, der wir wieder ein kleines Stück folgen und dabei auf den Verkehr aufpassen müssen. Gleich hinter der Kurve gibt es links einen Aussichtspunkt mit herrlichem Blick auf die alte Stadt Dippoldiswalde mit ihren engen Gassen und verwinkelten Dächern. Mächtig tritt das Schloss hervor.

Am steilen Hang zieht sich ein schmaler Pfad hinunter ins Tal der Roten Weißeritz. Die Hangwiese wird jedes Jahr vom Landschaftspflegeverband gemäht und erfreut im Frühling und Sommer mit vielen Blüten. Nach Überqueren der Eisenbahngleise kommen wir am Freiberger Platz in Dippoldiswalde an, biegen nach links ab und steigen wieder hoch zum Busbahnhof. Nach knapp sieben Kilometern und vielen Eindrücken haben wir den Ausgangspunkt der Wanderung erreicht.

  Gezeichnete Wanderkarte

Es gibt aber noch eine

Variante 2,

um auf den Spuren der Schäferei um Reichstädt zu wandern.

Dazu fahren wir mit dem Linienbus bis zur Haltestelle "Unterer Gasthof".  An Schultagen gibt es zahlreiche Busverbindungen hierher, am Wochenende jedoch ganze vier Fahrten der Linie 382. Von der Bushaltestelle ist es nicht weit bis zur Schäferei Drutschmann: einfach hinunter zum Dorfbach, über die Brücke und dann 100 m nach links. Die Wanderung führt uns dann aber in die andere Richtung, vorbei an der Kirche zum nahen Schloss. Das alte Rittergut Reichstädt wurde zu DDR-Zeiten unter anderem für Kinderferienlager genutzt. Dabei konnten die Kinder auch viel über die Natur erfahren. Doch das Gebäude verfiel dabei. Jetzt befindet es sich wieder in Privatbesitz, die Fassade erstrahlt in neuem Glanz. Im Umfeld des Schlosses befindet sich auch eine kleine, nette Keramik-Werkstatt sowie eine Kunstgalerie.

Der (mit einem gelben Strich markierte) Wanderweg führt rechts am Schloss vorbei. Dahinter sehen wir den herrlichen Schlosspark mit vielen alten Bäumen. Der Park ist für alle  zugänglich und lädt zum Verweilen ein.

Wir erreichen schließlich eine Kreuzung, an der wir der Hauptstraße ein Stück geradeaus folgen. Links der Hauptstraße befand sich einstmals die große Gutsschäferei des Rittergutes Reichstädt. Rechts zweigt nun vor dem Reichstädter Gewerbegebiet ein Feldweg ab, dem wir einen knappen Kilometer bis zu einem ganz auffälligen Feldgehölz folgen. Diese Gruppe alter Bäume markiert den sogenannten Schafberg. Uns bietet sich hier eine schöne Aussicht über das untere Osterzgebirge. Zwei Kilometer südwestlich können wir noch eine ganz ähnliche Kuppe mit Baumgruppe erkennen, die den Namen Lämmerberg trägt. Dieser ganze Bereich gehörte einstmals zum Rittergut. Von hier aus gesehen links, also näher am Ort, lagen die Felder. Und hier rechts, zwischen Schaf- und Lämmerberg, wurden die Herden gehütet. Auch wenn die großen Schafherden längst der Vergangenheit angehören, befinden sich hier immer noch große, zusammenhängende Weideflächen.

Gleich dahinter beginnt das Waldgebiet des Schwarzbusches. Am Waldrand des Fichtenforstes geht es ungefähr 500 m weiter bis zum nächsten Querweg. Um möglichst schnell nach Berreuth zu kommen, kann man hier abkürzen: 100 m nach rechts, dann 500 m nach links.

Schöner ist es aber, durch den Schwarzbusch nach links zu laufen, bis ein kleines ruhiges  Tälchen mit mehreren Teichen erreicht wird. Diesem Tälchen folgen wir weiter.  Das Bächlein wurde einstmals angestaut, um ausreichend Wasser für ein kleines Sägewerk (eine Brettmühle) bereitzustellen. Doch wurden solche Teiche hier auch genutzt, um die Schafe vor der Schur zu waschen. Die widerspenstigen, wasserscheuen Tiere da hineinzutreiben muss immer eine aufregende Aktion gewesen sein, bei der viele Dorfbewohner mithelfen mussten.

Am unteren, dem Schwarzen Teich, informiert eine kleine Tafel über den Standort der alten Brettmühle. Von hier aus ist es nach rechts noch ungefähr einen Kilometer weit bis Berreuth, wo sich der Winterstall der Schäferei Drutschmann befindet. Wo die Berreuther Dorfstraße auf die Hauptstraße Reichstädt - Dippoldiswalde mündet, befindet sich eine Bushaltestelle. Aber, wie schon erwähnt: nur viermal am Tage halten hier an Wochenenden Linienbusse.

Die Streckenlänge der Wandervariante 2 beträgt etwa 6,5 km (mit Abkürzung zwischen Schafberg und Berreuth knapp 6 km).

   Gezeichnete Wanderkarte